von Jan Keupp
„Des Buridanus Eselstute / kennt jeder Böse, jeder Gute“, so reimte der Nonsenspoet Christian Morgenstern im Februar 1906.[1] Das bedauernswerte Tier habe bekanntlich „vom Wirbel bis zum Steiß“ den Hungertod erlitten. In der Mitte zwischen zwei gleichartige Heuhaufen platziert habe es sich für keinen der beiden entscheiden können. Gefangen im Gravitationsfeld äquivalenter Anziehungskräfte musste das Langohr daher bis zu seinem bitteren Ende regungslos verharren. Das grausame Exempel wurde spätestens seit dem 16. Jahrhundert dem Scholastiker Jean Buridan († 1358) zugeschrieben. Seine Wirkungsgeschichte überspannt allerdings alle Epochen der europäischen Geistesgeschichte: Ist dieser Esel in seiner Entscheidungsschwäche noch zu retten?
Buridans Esel oder vom unendlichen Glück des Entscheidens (Teil I) weiterlesen